
Der Pegelstand der Elbe erreichte Rekordwerte
Die Alarmierung des THW Lauf erfolgte am frühen
Morgen des Dienstags, den 20.08.02. Der Technische Zug
des OV Lauf mit 27 Helfern wurde nach Stendal, ca. 60km
nördlich von Magdeburg beordert, um dort durch
das Bereitstellen von Lichtleistung Arbeiten an der
Elbe über die Nacht hinweg zu ermöglichen.
Daraufhin machte sich das THW Lauf mit fünf Fahrzeugen,
drei Lichtgiraffen, einem Boot und seinem Verpflegungstrupp
auf den Weg in den Norden Sachsen-Anhalts.

(li.) Der Bereitschaftsraum beim "KKW"
Stendal - hier nur ein Bruchteil aller Einsatzfahrzeuge
vor Ort
(re.) Beim Einsatzort Fährkrug wurden die Fahrzeuge
stets in Fluchtrichtung geparkt - Der Deich befand sich
direkt hinter dem schmalen Baumstreifen
Um ca. 17 Uhr trafen die Helfer schließlich in
Stendal ein und begaben sich mit ihren Fahrzeugen zum
Bereitstellungsraum, einem nicht fertig gestellten Kernkraftwerk,
welches etwa 15km außerhalb von Stendal liegt.

Die Einsatzleitungen von THW, Bundeswehr sowie
der örtl. Feuerwehr am Einsatzort Fährkrug
Dort angekommen mussten sich die Helfer zunächst
bei der örtl. Einsatzleitung registrieren lassen,
um an einem möglichen Einsatz beteiligt zu werden.
Allerdings ließ die Tatsache, dass laut Lagerleitung
ca. 800 Fahrzeuge und etwa 1.800 Helfer vor Ort waren,
die Chance auf einen baldigen Einsatz eher gering erscheinen.
Ferner stellte sich in Gesprächen mit Helfern anderer
Ortsverbände heraus, dass viele schon seit einigen
Tagen vor Ort waren, ohne jedoch zu einem richtigen
Einsatz gekommen zu sein.

(li./mi.) Ponton-Boote bringen Helfer und Material
zu ihren Einsatzorten am Deich
(re.) Auch die örtl. Wasserwacht half mit
Entmutigt durch diese ersten Erfahrungsberichte und
dem beunruhigenden Gefühl, die kommenden Tage tatenlos
in der trostlos erscheinenden Sammelstelle zu sitzen,
während andernorts verzweifelt gegen die Fluten
gekämpft wird, bereiteten sich die Laufer Helfer
auf das Nachtlager vor. Doch schon um 18 Uhr kam überraschend
eine Anforderung für den gesamten Zug.

Die kurzen Bootsfahrten gehörten zu den
angenehmeren Tätigkeiten der Laufer Helfer
Der Einsatzbefehl lautete: Ausleuchten der Deiche
und das Durchführen von Deichwachen. Das
Einsatzgebiet lag bei Fährkrug, ca. 15km vom Lager
entfernt. Der Deichabschnitt dort, zwischen Osterholz
und Räbel, hat eine Länge von knapp 12km,
womit das Ausleuchten des gesamten Streckenabschnitts,
trotz einer eingesetzten Lichtleistung von ca. 50.000
Watt, ein Ding der Unmöglichkeit war.

Teilweise wurde der Deich mittels
"Powermoon" Leuchtballons ausgeleuchtet, was
bei Nacht eine eindrucksvolle Kulisse bot
Nachdem die Beleuchtungsanlagen die Arbeit aufgenommen
hatten, machten sich die ersten Helfer - noch etwas
orientierungslos - auf den Weg, um die erste Deichwache
zu übernehmen. Glücklicherweise stieß
man schon bald auf einen Deichexperten des hiesigen
Wasseramtes, der den Helfern grundlegendes Fachwissen
über den zu überwachenden Deich vermitteln
konnte, ihnen besonders gefährdete Stellen zeigte
und auch sonst allerhand wissenswertes über die
Pflanzen- und Tierwelt des Deiches zu erzählen
wusste.

Dank THW wurde dieses junge Wildschwein aus den
Fluten gerettet, aber ob es dann nicht doch auf einen
Bundeswehr-Grill landete, entzieht sich unserer Kenntnis
;-)
Am nächsten Morgen bat die Einsatzleitung des
Bereitstellungsraums in Stendal die Laufer Führungstruppe
darum, ob sie nicht als örtliche Einsatzleitung
vor Ort fungieren möchte, um einen reibungslosen
Einsatz der benötigten THW Kräfte zu gewährleisten.
Ferner waren mehrere Bäume entlang der Deichanlagen
zu entfernen. Diese Bäume drohten aufgrund der
aufgeweichten Deiche umzustürzen und selbige mit
ihrem Wurzelwerk aufzureißen. Außerdem entstand
durch den weiterhin gestiegenen Pegelstand von nunmehr
7,64m eine akute Bedrohung, weshalb eine großräumige
Ausleuchtung der Deiche unumgänglich war.

(li.) Bis tief in die Nacht fällte das hiesige
Forstamt mit Hilfe des THW die mächtigen Bäume
(mi./re.) Das THW war auch für die Beseitigung
der gefällten Riesen zuständig
Nachdem die neue Lage mit der THW Leitung geklärt
war, wurde vor Ort Stellung bezogen und mit der Planung
der notwendigen Ausleucht-Aktion begonnen. In der Nacht
zwischen Mittwoch und Donnerstag kamen dann insgesamt
neun Ortsverbände mit 120 Helfern zum Einsatz.
Die gesamte Lichtleistung für diesen Deichabschnitt
betrug damit über 100.000 Watt, wobei sieben Lichtgiraffen
und 17 Leuchtballons eingesetzt wurden.

Mit allerlei Werkzeugen wie Äxten, Motorsägen
und Treibkeilen wurden die bis zu 2,5m dicken Stämme
in handlichere, aber immer noch zentner schwere Teile
zerlegt,...
Am Donnerstag Morgen wurden den Einsatzleitern M. Sperber
und Chr. Falk die aktuelle Lage zusammen mit den neuen
Anforderungen an die THW Helfer erläutert. Die
heutige Aufgabe bestand darin, mehrere - bis zu 200
Jahre alte Bäume - mit Hilfe des hiesigen Forstamtes
zu fällen, diese dann in kleinere, transportable
Stücke zu zersägen und mit dem Boot an eine
Sammelstelle zu bringen. Die Problematik dabei bestand
darin, dass die Deiche nicht mehr befahrbar waren und
somit der Flussweg die einzige Möglichkeit zum
Abtransport war.

...welche dann per Boot weg geschafft wurden,
um zu vermeiden, dass sie sich bei einem eventuellen
Deichbruch nicht zu gefährlichem Treibgut verwandeln
würden
Durch die Einsatzleitung des THW Lauf wurden dann zwölf
Ortsverbände mit 230 Helfern alarmiert. Hier waren
unter anderem Helfer aus Aachen, Krefeld, Köln
und Erlangen im Einsatz. Unterstützt wurde die
Aktion durch sog. Ponton-Boote, um den Transport der
Gerätschaften und der Helfer an die entsprechenden
Orte zu gewährleisten. Auch die Verpflegung der
eingesetzten Helfer erfolgte auf dem Flussweg. Um ca.
17 Uhr wurde die Aktion dann unterbrochen, weil viele
Helfer am Ende ihrer Kräfte standen. Immerhin hatten
die gefällten Bäume einen Umfang von bis zu
2,5 Meter.
Die eingesetzten Kräfte rückten daraufhin
wieder in den Bereitstellungsraum ab, um sich für
den nächsten Tag zu erholen. Für das THW Lauf
war der Tag jedoch noch lange nicht vorbei, denn nun
musste die Koordination für die nächtlichen
Ausleuchtaktionen wieder aufgenommen werden. Hierzu
wurden die Ortsverbände der vergangenen Nacht erneut
alarmiert, da sie bereits mit der Situation vertraut
waren.

Angesichts dieser Bilder sollten die Dimensionen
der Baum-Riesen deutlich werden
Am Freitag morgen nahm man dann wieder an der Stabsbesprechung
teil, wobei sich sogar eine Verbesserung der Situation
abzeichnete. Die Pegelstände waren bereits gesunken.
Es wurden die Aufgaben für den heutigen Tag besprochen.
Es sollten wieder, durch das Forstamt gefällte
Bäume, in transportable Stücke zerlegt und
auf dem Flussweg zur Sammelstelle gebracht werden.
Um ca. 12.30h startete die örtliche Einsatzleitung,
bestehend aus der FF Stendal, Vertretern des Landratsamtes,
einem Fachberater für Deichbau und dem THW Lauf
eine Kontrollfahrt, um die Situation zu beurteilen.

(li.) Ein tonnenschweres Stück eines Baumstammes soll
per Hebekissen vom Fuß des Deiches entfernt werden
(re.) Die Aktion ist geglückt, der Deich wurde entlastet
Allerdings kam es in dem Abschnitt Rosenhof zu unerwarteten
Problemen. Ein noch nicht gefällter Baum stand
äußerst kritisch und drohte den Deich aufzureißen.
Da der Baum jedoch eine starke Lage zum Deich aufwies,
musste hier Spezialgerät angefordert werden. Ein
Bulldozer und ein 300 Meter langes Drahtseil wurden
organisiert. Das Drahtseil wurde am Baum fixiert und
mit dem Bulldozer auf Zug gebracht. Ein Forstamtmitarbeiter
nahm die Fällung des Baumes vor.
Zur gleichen Zeit wurde von der Deichwache eine größere
Sickerstelle gemeldet, woraufhin sich die Einsatzleitung
sofort vor Ort begab.

(li.) Der Verpflegungstrupp des OV Lauf sorgte
stets für gutes Essen und versorgte ganz
nebenbei auch gleich andere Ortsverbände
vor Ort mit
(mi.) Als Nachtisch gibt's Apfelkuchen - Geschirr und
Besteck waren wohl gerade aus...
(re.) Die Helfer wurden durch die Bevölkerung unterstützt
- Diese junge Dame bringt gleich kistenweise Verpflegung
für die hungernden Helfer
Durch den Fachberater für Deichbau wurde umgehend
beschlossen den Deich mit Sandsäcken zu sichern,
um den drohenden Deichbruch zu verhindern. Plötzlich
gab es eine echte Herausforderung, sowohl für die
Einsatzleitung als auch für die Helfer des THW
Lauf. Eiligst wurde die aktuelle Lage mit der THW-Leitung
im Bereitstellungsraum geklärt. Etwa 30 Minuten
später waren 20 Ortsverbände mit 530 Helfern
vor Ort. Nun galt es, die Sickerstellen abzudichten
und den Deich mit Sandsäcken zu stabilisieren,
um ihn vor einem möglichen Abrutschen
zu bewahren.

(li.) Unsere "Küche" am Einsatzort
Fährkrug
(re.) Internet-Anschluss gab's leider keinen :-(
Nach intensiver Begutachtung der Fachberater für
Deichbau urteilten diese, dass hier eine größere
Aktion gestartet werden musste. So galt es nach ersten
Berechnungen ca. 100.000 Sandsäcke zu verbauen.
Unter dieser Voraussetzung entschied die Einsatzleitung
des THW Lauf, dass zusätzlich Helfer der Bundeswehr
angefordert werden mussten. Ein weiteres Problem war,
dass die Sandsäcke in diesem Bereich nicht auf
dem Landwege herbeigebracht werden konnten, weshalb
alle verfügbaren Boote des THW´s und der
Wasserwacht angefordert wurden. Somit befanden sich
in diesem Einsatzabschnitt knapp 20 Boote im Einsatz.
Nach ca. einer halben Stunde rückten die ersten
Helfer des Heeres an, deren Zahl sich auf bis zu 300
Mann steigern sollte. Nachdem dem Hauptmann die aktuelle
Lage geschildert worden war, sagte dieser auch Unterstützung
aus der Luft zu. Mit Helikoptern des Heeres und des
Bundesgrenzschutzes wurden nun Sandsäcke direkt
vor Ort geflogen. Pro Flug konnten bis zu 200 Säcke
in einem Außennetz aufgenommen werden, welches
von den Piloten sanft auf den Deich aufgesetzt werden
musste, um diesen nicht weiter zu beschädigen.


Der Hubschrauber-Landeplatz beim Bereitstellungsraum
- Von hier aus wurden zig tausend Sandsäcke an
die verschiedenen Einsatzstellen geflogen
Mit Einbruch der Dunkelheit stellte sich das Problem,
dass die Deichverstärkung weiterhin fortgeführt
werden musste, aber auch die Deichwache und die damit
verbundenen Ausleucht-Aktionen von Nöten waren.
Also forderte man weitere 200 Kräfte aus einem
anderen Einsatzabschnitt an, womit die Beleuchtung genauso
wie die Deichwache aufrecht erhalten werden konnte.

(li.) Ein Helikopter des Heeres von enormer Größe
wird von einem, nicht minder großen, Radlader
des THW mit Dichtungs-Material beladen
(re.) Ein Hubschrauber setzt ein Netz voller Sandsäcke
punktgenau und möglichst sanft auf der Deichkrone
unmittelbar neben der Einsatzstelle ab
Der Sandsackbau zur Rettung des Deiches wurde am Samstag
morgen um 4 Uhr durch einen Helfer der Bundeswehr beendet.
Er übergab seinem Hauptmann einen Sandsack mit
den Worten: Herr Hauptmann, die Truppe wünscht,
dass Sie den letzten Sandsack niederlegen.

(li.) Während gerade eine Ladung neuer Sandsäcke
eintrifft, werden Säcke über eine Kette
aus Bundeswehr- und THW-Helfern zur Schadensstelle transportiert
(re.) Per Schubkarren werden die Sandsäcke von
der "Abwurfstelle" zur Kette gebracht.
Nach diesem Kraftakt sehnten die Helfer des THW Lauf
dann doch ihrer Ablösung entgegen, da sie nun bereits
seit Dienstag im Dauereinsatz waren und in den vergangenen
fünf Tagen zum Teil nur acht Stunden geschlafen
hatten.
Zur Ablösung kamen am Samstag 24 Helfer. Zwölf
aus Lauf und jeweils sechs Helfer aus den Ortsverbänden
Amberg und Sulzbach-Rosenberg. Das THW Lauf blieb jedoch
mit seinen gesamten Gerätschaften vor Ort, es wurden
lediglich die Helfer ausgetauscht. Die Einsatzleitung
übernahmen der Zugführer aus Amberg, Christoph
Hoh, und Jürgen Bleisteiner vom OV Lauf.

Über eine Länge von 70m musste der
Deich vorm Abrutschen gesichert werden. Dabei wurden
gewaltige Mengen an Sandsäcken verbaut.
Besonders erwähnenswert ist die ständige
Besetzung unserer Unterkunft in Lauf. Unzählige
Anrufer wollten sich erkundigen, ob sie weitere Sachspenden
für eine bereits abgelaufene Sammelaktion des THW Lauf
abgeben könnten. Weiterhin mussten alle
Arbeitgeber informiert werden. Dabei erhielt unser Verwaltungshelfer,
Sebastian Falkner, große Unterstützung durch
mehrer Jugendhelfer. Diese übernahmen in Eigenregie
das Verpacken der Sachspenden und halfen bei den anfallenden
Büroarbeiten. Die Jugendlichen opferten für
die Hochwasser-Hilfe ihre Ferien und waren aus der täglichen
Arbeit vor Ort nicht mehr weg zu denken.

Die "alten" Kräfte in Stendal samt Ablöse
aus den OVs Lauf, Amberg und Sulzbach-Rosenberg
Der Einsatz in Stendal endete mit der Verlegung der Kräfte
am 27. August nach Dippoldiswalde.
Es handelte sich um den bislang größten
und längsten Einsatz in der fünfzigjährigen
Geschichte des THW Lauf.
An dieser Stelle möchten wir uns aber auch bei
allen eingesetzten Ortsverbänden für die tatkräftige
Unterstützung bedanken. Für den OV Lauf war
es nicht immer leicht, die 31 Ortsverbände mit
insgesamt 821 registrierten Helfern zu koordinieren
und das benötigte Material und die entsprechenden
Mahlzeiten zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu
liefern.
Links:
Freiwillige Feuerwehr Stendal
Eingesetzte Kräfte:
Vertreter des Landratsamtes
Fachberater Deichbau (unser "Deichgraf")
THW Aachen
THW Amberg
THW Bad Honnef
THW Bieberach / Rieß
THW Castrop-Rauxell
THW Darmstadt
THW Eisenach
THW Erlangen
THW Füssen
THW Gifhorn
THW Hamm
THW Hannover
THW Hilden
THW Höxter
THW Köln Nord-Ost
THW Köln Nord-West
THW Krefeld
THW Lauf
THW Limburg
THW Lingen
THW Lübbecke
THW Moers
THW Münster
THW Neuss
THW Parsberg
THW Passau
THW Schwandorf
THW Stendal
THW Sulzbach-Rosenberg
THW Warburg
THW Wörth
FFW Stendal
Wasserwacht
DRK mit RTW
Bundesgrenzschutz mit 3 Hubschraubern
Bundeswehr mit 4 Hubschraubern
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